Zahlen lügen nicht, oder doch?

Zahlen in Reden sind ein zweischneidiges Schwert. Warum? Auf der einen Seite scheinen Zahlen Sicherheit und Vernunft zu repräsentieren, auf der anderen Seite wissen wir alle, dass Zahlen auch manipulativ und verfälschend eingesetzt werden können und werden.

Ehrliche Rednerinnen und Redner sollten daher behutsam mit Zahlen in ihren Vorträgen umgehen.

Diese Woche hatte ich die große Freude, einem spannenden Vortrag zu lauschen. Eine von mir sehr geschätzte Redner meines Rhetorik-Clubs hielt eine Rede, in der es um die sogenannten Diversen ging. Ein Thema, das mir, wie den meisten Menschen, mehr aus den Nachrichten und der Politik vertraut ist, als durch tatsächliche Erfahrungen im eigenen Umfeld. 

Nicht mal ein Prozent?

In ihrer Rede nannte sie Befragungsergebnisse, die ergaben, dass ca. 0,6% der Bevölkerung in Deutschland unter diesen Begriff fallen. So wenige? Nicht mal 1 Prozent? Um in den Bundestag zu kommen, braucht eine Partei 5%. Also diese Zahl muss doch wirklich eine zu vernachlässigende Größe sein, oder? Oder? Und schon ist man in die prozentuale Falle getappt. Rund 500.000 Menschen, 500.000 Einzelschicksale verbergen sich hinter diesen 0,6%. Wenn man die absolute Zahl hört, wird einem sofort klar, dass es sich eben nicht nur um atomar kleine Mengen handelt.

Warum Prozentzahlen ein Feind sind

Dieses kleine Beispiel zeigt, wie schnell Prozentzahlen uns eine falsche Größe vorspiegeln können.Für eine sinnvolle Bewertung benötigen wir auch die absoluten Größen. Zumindest dann, wenn wir seriös unterwegs sind. Ein alter Spruch besagt: „Traue nie einer Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast.”. Ist eine Umfragemenge zu klein, können einzelne Ergebnisse das Gesamtergebnis stark beeinflussen. Bei 10 Befragten hat jede einzelne Aussage einen Wert von 10%. Repräsentativ ist eine derartige Statistik natürlich nicht, es sei denn, die Gesamtgruppe ist ähnlich klein.

Als Hausnummer werden für deutschlandweite Befragungen mindestens 1.000 Personen angesetzt. Aber auch die dürfen nicht alle aus dem gleichen Kuhdorf in Oberbayern stammen.

Warum Prozentzahlen eine Freundin sind

Prozentzahlen machen die Welt der Zahlen oft verständlicher und vergleichbarer. Verständlicher, weil die Relation zwischen zwei Prozentzahlen meist schneller ersichtlich ist, als bei absoluten Zahlen: 30% ist halb so viel wie 60%. Die Feststellung, dass 3.847 und 7.694 im gleichen Verhältnis zueinander stehen, benötigt etwas mehr Kopfrechenarbeit.

Die Vergleichbarkeit ist insbesondere dann immer nötig, wenn zwei repräsentative Ergebnisse verglichen werden sollen, bei denen die absolute Anzahl der Befragten, auch wenn beide Statistiken repräsentatv sind, unterschiedlich groß sind. Ein Besispiel: 1.234 Personen werden in der einen Untersuchung nach ihrer Lieblingsmarke bei Kochherden befragt; in einer anderen Untersuchung werden 1.956 Personen nach ihrer Lieblingsmarke bei Geschirrspülern befragt. Nur mit prozentzahlen lässt sich schnell überblicken, welche Marke wie stark in welchem Segment ist.

Fazit

Zahlen sind wertvoll, Zahlen sind hilfreich, Zahlen bringen Strukturen in komplizierte und auf Anhieb nicht durchschaubare Sachverhalte. Aber: Wer die möglichen Manipulationsmöglichkeiten mit Zahlen nicht kennt, kann schnell manipuliert werden. Bevor die seriöse Rednerin, der seriöse Redner Zahlen benutzen, prüfen sie die Quelle der Werte und bei Prozentzahlen, rechnen Sie einmal kurz die absolute Zahl für den größten oder den kleinsten Wert aus. Das kann Augen öffnen.

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