Mit vollem Munde spricht man nicht, oder?

Demosthenes, der große Athener Rhetoriker und Politiker, hatte keinen einfachen Start. Er lispelte, sprach leise und kurzatmig. Keine guten Voraussetzungen für Rhetorik und Politik. Aber er war findig und ersann ein Trainingsprogramm, um diese stimmlichen Defizite zu beheben.

Mit Kieselsteinen im Mund ging er ans Meer und übte, mit klarer und lauter Stimme die Brandung zu übertönen. Außerdem hatte er Atemübungen, die ihm mit der Kurzatmigkeit beim Sprechen halfen, davon aber ein andermal.

Die Kieselsteinübung wollte ich im Selbstversuch in moderne Zeiten übertragen. Kieselsteine hatte ich nicht zur Hand, ich hätte auch zu große Angst vor dem Verschlucken gehabt. Im nächsten Supermarkt fand ich aber Treets, das sind Erdnüsse mit glasiertem Schokoüberzug. Zugegebenermaßen eine kalorienreichere Methode, dafür aber auch weniger gefährlich. Was den Griechen die Meeresbrandung bot, nämlich ausreichend Hintergrundlärm, bot mir der Straßenverkehr. 

Ich stellte mich an den Straßenrand einer befahrenen Straße und übte erst mit drei Treets, dann mit fünf Treets und später mit sieben Treets im Mund den Anfang von Schillers »Bürgschaft«:

Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Möros, den Dolch im Gewande;
Ihn schlugen die Häscher in Bande.
„Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!“
Entgegnet ihm finster der Wüterich.
„Die Stadt vom Tyrannen befreien!“
„Das sollst du am Kreuze bereuen.“

Ein gut geeigneter Text, da vor allem die direkte Rede eine klare, aber intonierte Aussprache erfordert.

Das Ergebnis nach fünf Tagen Training: 

  • Es fiel mir wesentlich einfacher, laut und deutlich zu sprechen, mit vollem und mit leerem Mund.
  • Ich habe lediglich ein Treets verschluckt.
  • Drei Tüten Treets wurden in diesen fünf Tagen verbraucht.

Alternativ kann man die Übung auch kalorienärmer mit getrockneten Kichererbsen oder, zur entsprechenden Jahreszeit, mit Kirschen durchführen.

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