In unserer immer stärker zusammenwachsenden Welt ist es als Redner oder Rednerin wichtig zu wissen, wer im Publikum sitzt. Mangelndes Wissen über kulturelle Unterschiede kann aus einer guten Rede eine Katastrophe machen. Der kulturelle Hintergrund beeinflusst die Wahrnehmung und Interpretation unserer Worte und Gesten.
Beispiele für kulturelle Unterschiede finden sich häufig bei der Unterscheidung zwischen direkten Aussagen und indirekter Sprache. Auch die Körpersprache, insbesondere Blickkontakt und Körperhaltung, werden weltweit unterschiedlich interpretiert. Zahlreiche Kulturen erwarten einen starken Respekt gegenüber Personen mit höherem Status. Ebenso ist der Umgang mit Konflikten kulturell unterschiedlich. Einige Kulturen erwarten eine direkte und offene Konfliktlösung, andere ziehen einen indirekteren Ansatz vor. Selbst der Umgang mit Pünktlichkeit, also dem Zeitmanagement, wird unterschiedlich gehandhabt.
Sie sehen: Jeder Satz, jede Geste kann ein Fettnäpfchen oder gar einen Fettnapf darstellen – vermeiden Sie es, hinein zu treten.
Disclaimer
Bevor ich ein paar Beispiele nenne, der leider heute unvermeidbare Disclaimer in unserer immer illiberaler werdenden Welt. Ich habe nicht sämtliche Kulturen selber erforscht und innerhalb der einzelnen Kulturen gibt es sicherlich Personen, auf die die folgenden Beschreibungen nicht zutreffen. Die Beschreibungen sind verallgemeinernd. In meinen Augen sind alle Kulturen gleichbedeutend, soweit sie die Erklärung der allgemeinen Menschenrechte der UNO akzeptieren und auch einhalten.
Fettnäpfchen ick hör dir trapsen
Einige Beispiele, die Rednerinnen und Redner sich zu Herzen nehmen sollten.
- Für Sie übliche Gesten werden in bestimmten Kulturen als unhöflich oder beleidigend empfunden. Dazu gehören das Zeigen des Fingers in einigen Ländern des Nahen Ostens oder das Zeigen der Sohlen der Füße in einigen asiatischen Kulturen.
- Sprichwörter oder Metaphern können in anderen Kulturen unbekannt oder unverständlich sein. Das Sprichwort „den Nagel auf den Kopf treffen“ ist in einigen asiatischen Kulturen unverständlich , da sie keine ähnliche Redewendung haben.
- Das Überschlagen der Beine oder das Kauen von Kaugummi während einer Präsentation gilt in einigen asiatischen Kulturen als sehr unhöflich, ebenso in manchen europäischen Kulturen.
- Vermeiden Sie zu direkte Sprache und eine zu aggressive Körpersprache, die in einigen Kulturen als unhöflich oder beleidigend empfunden werden, beispielsweise in vielen lateinamerikanischen Kulturen.
- Vermeiden Sie in diversen Veranstaltungen den Gebrauch von Humor oder Witzen. Die Gefahr ist hoch, nicht verstanden zu werden oder als unhöfliche oder unangemessene Sprecherin oder Sprecher gesehen zu werden.
- Viele Kulturen empfinden es als unhöflich, nicht genug Respekt und Höflichkeit gegenüber dem Publikum zu zeigen, während in anderen Kulturen eine informellere Sprache bevorzugt wird.
- Vermeiden Sie die Verwendung von Tabu-Wörtern oder Themen, die in bestimmten Kulturen als unangemessen oder beleidigend empfunden werden können. Themen wie Sexualität oder Religion werden in einigen Kulturen als tabu angesehen und sollten vermieden werden.
- In einigen Kulturen wird es als unhöflich oder beleidigend empfunden, wenn der Redner nicht genug Wissen über die kulturellen Traditionen oder Feinheiten hat, wie z.B. spezielle Grußformeln oder Rituale.
- Verwendung von zu viel oder zu wenig Blickkontakt kann problematisch sein. Einige Kulturen sehen es als respektlos an, direkten Blickkontakt mit dem Publikum zu haben, während in anderen Kulturen fehlender Blickkontakt als Unsicherheit oder Missachtung des Publikums interpretiert werden.
Unterbrechungen müssen nicht unhöflich gemeint sein
Rednerinnen und Redner aus westlichen Kulturkreisen tun sich immer wieder schwer mit Unterbrechungen des eigenen Vortrags und empfinden dies als Störung. Das muss aber nicht so gemeint sein. In vielen Kulturen gehört das Unterbrechen des Vortrags zur Kommunikation.
- In Indien wird es als höflich angesehen, den Redner zu unterbrechen, um Fragen zu stellen oder um eine Diskussion anzuregen.
- In vielen arabischen Kulturen wird es als normaler Teil des Diskurses angesehen, den Redner zu unterbrechen, um Meinungen auszutauschen oder um das Gespräch zu vertiefen.
- In Japan ist es üblich, den Redner zu unterbrechen, um Zustimmung oder Ablehnung auszudrücken, oder um Fragen zu stellen, die dazu beitragen, das Verständnis zu vertiefen.
- In vielen afrikanischen Kulturen wird es als normaler Teil des Diskurses angesehen, den Redner zu unterbrechen, um Missverständnisse zu klären oder um weitere Informationen zu bekommen.
Verzweiflung macht sich breit
Verzweifeln Sie nicht. Nicht jedes Fettnäpfchen lässt sich bei divers besetzten Veranstaltungen vollständig vermeiden. Richten Sie sich im Zweifelsfall nach den Gepflogenheiten des gastgebenden Landes oder der Mehrzahl der Anwesenden. Denken Sie auch daran, dass die meisten Teilnehmer in einem divers zusammengesetzten Publikum ebenfalls wissen, dass es kulturelle Unterscheide gibt.
Wie bei jedem Vortrag gilt: Machen Sie sich vor Ihrem Vortrag klar, wie das Publikum zusammengesetzt sein wird. In vielen Fällen wird es Ihnen möglich sein, ohne inhaltliche Abstriche zu machen, Ihren Vortrag entsprechend anzupassen. Unmögliche Situationen, wie einen wissenschaftlichen Vortrag über die Evolution vor Kreationisten, sollten Sie vermeiden. Verzichten Sie dann lieber auf Ihren Vortrag.